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Gletscher und Klimawandel

Licht macht sichtbar. In ihm ist die gesamte Farbpalette, die wir täglich um uns herum wahrnehmen, enthalten. Wird weisses Licht, etwa an Eiskristallen oder Glaslinsen, gebrochen, zerlegt es sich in seine Grundfarben: Rot, Gelb, Blau. Diese symbolisieren sozusagen den „Urquell“ unserer sichtbaren Wahrnehmung. 

Jeder Ort hat seine spezifischen Lichtverhältnisse. 

Das Licht in höheren Alpengebieten zeichnet sich durch seine Unmittelbarkeit, Intensität und Schonungslosigkeit aus. 

Alpenregionen sind aber auch Sensoren, die auf Umweltveränderungen empfindlich reagieren. Sie warnen uns wie Wächter vor den Gefahren, die unsere Lebensgrundlagen zu zerstören drohen. 

Gletscher sind Schlüsselindikatoren für Klimaänderungen und gelten als «globales Fieberthermometer». Der starke Rückzug der Gebirgsgletscher gilt als Evidenz dafür, dass sich das Klima der Erde seit dem Ende der Kleinen Eiszeit, um die Mitte des 19. Jahrhunderts, markant verändert hat.

Gletscher sind Klimaarchive. Die im Gletschereis konservierten Gaseinschlüsse enthalten Informationen unserer klimatologischen Vergangenheit. Unser Weltklima kann so über Jahrhunderte zurückverfolgt werden.

Mit der fortschreitenden Klimaerwärmung werden diese Daten allerdings verschwinden. 

 

Der Malprozess:

Bei einem gestalterischen Prozess geht es mir grundsätzlich darum, zu verstehen und zu untersuchen, was mich umgibt, was aktuell wahrnehmbar ist. 

Nebst dem illusionistischen Aspekt des Realismus interessiert mich hier vor allem die Stimmigkeit und Wesenhaftigkeit eines spezifischen Phänomens. Mit der Einsicht, dass es in jedem Fall bloss um eine Annäherung von Realität und ihrer Gesetzmässigkeiten geht, möchte ich primär eine wahrnehmbare Erfahrung visualisieren. 

Für mich bildet die Malerei eine spannende Auseinandersetzung diese Möglichkeiten zu erproben. In unserer Gegenwart scheint mir (im Hinblick unserer reichen Vergangenheit) die Frage zentral,  was Malerei heute überhaupt noch vermag und darf. 

Obwohl die Ausgangslage meiner Malerei fotografischer Art ist, erhalten die Bilder durch die handwerkliche Umsetzung, durch die Auseinandersetzung mit Erlebtem, ihres Kontextes, ihrer Geschichte und ihrer Materialien, aber auch durch Investition von Zeit und Geist eine andere, intensivere Präsenz als beispielsweise ein in Bruchteilen von Sekunden ausgelöstes Foto besitzt. Trotzdem, der wissenschaftlich analytische Blick durch die Kamera wird im Werk thematisiert. Der Austausch zwischen Medien und persönlichen Aspekten offenbart sich im Bild. Die Umsetzung dauert pro Bild etwa drei Monate. Der lange Arbeitsprozess zielt auf eine Verdichtung hin, die persönliche Erfahrungen einfliessen lässt und sichtbar macht. Die Individualität und die damit enge Beziehung zum Urheber wird hervorgehoben.

Malerei hat für mich auch mit Verantwortung zu tun. 

Dank immensen Erfahrungswerten aus der Kunstgeschichte wissen wir, dass Malerei (bei Verwendung bestimmter Materialien) ein unwahrscheinlich beständiges Medium darstellt. Wenn ich als Maler mit Ei-Tempera arbeite, bilde ich nicht nur ab, sondern konserviere zugleich. Die Verwendung von Ei-Tempera geht bis ins Altertum zurück. Die alte Eimalerei, die sich auch auf den frühen Ikonen findet, wurde so fest, dass sie allen Eingriffen widerstand und nur gewaltsam zu verletzen ist. Viele Tempera-Bilder sind selbst nach zweitausend Jahren in einem erstaunlich guten Zustand.

Bei vielen Medien, mit denen ich fast täglich arbeite, verhält es sich völlig anders: Die Alterung, resp. Veränderung deren Produkte vollzieht sich in relativ kurzer Zeit. Fotografien, Videobänder, Offset- sowie Laser-Prints verlieren nach wenigen Jahren ihre ursprüngliche Farbigkeit. Bei digitalen Speichermedien haben wir einen geringen Erfahrungswert; nach neueren Erkenntnissen aus Archiven soll die Lebensdauer einer CD oder DVD sehr kurz sein (man garantiert zwanzig Jahre).

 

Berge

 

Berge gelten als Brücke zwischen dem irdischen und himmlischen Bereich. Nebst ihrer Rolle als eindrückliche Monumente zeichnen sie sich durch ihre mystische Tradition aus. Extrembedingungen, wie die kurzen und spärlichen Vegetationsphasen oder auch die rasch wechselnden Witterungsbedingungen geben einen eigenen Rhythmus an. Die Kraft und Schonungslosigkeit der Bergwelt, sowie die intensive Strahlung sind Phänomene einer für uns nur beschränkt zugänglichen Welt. 

Trotzdem- die Ölmalerei mit ihrem riesigen Farbspektrum, versucht sich dieser Welt anzunähern. Durch eine realistische Umsetzung kann eine Annäherung der alpinen Naturgewalt stattfinden. Es wird versucht, eine Übersetzung einer scheinbar chaotischen Struktur zu finden, welche aber die Ordnung im Bild als klar definierte Komposition bestimmt. 

Die Intensität und Unmittelbarkeit des Lichts spielt eine zentrale Rolle. Die Lichtbrechung (sie ist durch die Linse des Objektivs entstanden) steht für die Eigenschaft des intensiven Lichts, welches uns die Gegenstände in ihrer nuancierten Farbigkeit zurückstrahlt. Die Konzentration des Lichts wird so in sein Farbspektrum zerlegt, welches sich in den Primärfarben (Rot, Gelb, Blau) äussert. Es zeigt zugleich die Grundfarben, mit welchen das Bild gemalt wurde und bildet sozusagen die Palette des Malers. 

Als Ausgangspunkt der malerischen Umsetzung diente eine eigene Fotografie. Sie wurde als Mittel der Wirklichkeitsdarstellung und als Instrument für die Malerei eingesetzt. Neben der Objektivität der Kamera spielte jedoch das Erlebnis an Ort und die damit verbundenen Emotionen und inneren Bilder eine bedeutende Rolle. 

Berge- zwischen Erde und Universum

Berge sind eindrückliche Monumente der Natur. Sie spielen weltweit in Religion und Kultur eine zentrale Rolle. Sie gelten als Quelle geistiger Erneuerung. Sie wachsen gewissermassen über die Erde in den Weltraum hinaus. Auf ihren Gipfeln berühren sich Unten und Oben, Himmel und Erde, der Mensch und das Ewige.  In verschiedenen Mythologien sind Berge Wohnort der Götter. 

In unserer modernen Gesellschaft fragen wir uns, weshalb Berge diesen Stellenwert besitzen und suchen, dem Zeitgeist gehorchend, nach naturwissenschaftlichen Erklärungen wie die Zusammensetzung der Luft, die erhöhte Kraft des elektromagnetischen Feldes oder die intensivere Strahlung aus dem Weltraum. Dazu kommt die Strahlung der Gesteine und Mineralien. 

Auch das Klima ist intensiver und rauer als im Unterland. Die kürzeren Vegetationsphasen geben einen anderen, extremeren Rhythmus vor. Der Winter ist kalt und lang, der Sommer kurz und auf den sonnenbeschienen Alpen heiss. Diese extremen Klimabedingungen zusammen mit den topografischen Eigenschaften lassen uns die Natur direkt und intensiv erleben. Sie lässt sich nicht in den Griff bekommen und setzt deshalb dem Vordringen der Zivilisation Schranken. Die Alpenregionen sind Sensoren, die auf die Umweltveränderungen empfindlich reagieren. Sie warnen uns wie Wächter vor den Gefahren, die unsere Lebensgrundlagen zu zerstören drohen. 

 

Die Einwirkung all dieser Kräfte, vor allem aber das ortspezifische Licht, haben mich wohl dazu bewogen, dem Wesen der Berge auf den Grund zu gehen. Sie haben mich dazu motiviert, ungeachtet aller touristischen Fiktionen und bunten Werbeplakaten, ein unkonventionelles Abbild zu schaffen. Die Kräfte konnte ich in monatelanger Arbeit ins Gewebe hineinarbeiten, und sie dann von den Pigmenten zurückstrahlen lassen.

 

Die Verschränkung von Himmel und Erde, die Unantastbarkeit und Mächtigkeit dieses Schauplatzes bewogen mich zu einer realistischen Art von Malerei, welche eine direkte, unbeschönigende und reine Sprache des Phänomens wiedergibt. Es ist ein Versuch, als Gestalter all diesen Extremen gerecht zu werden. Die Eigenschaften der Ölmalerei, so alt und traditionell diese auch sein mag, geben mir mit ihrem nahezu unendlichen Farbspektrum die Freiheit, dieses Naturphänomen auf persönliche und äusserst präzise Weise zu wiederspiegeln. Auch dem Format sind kaum Grenzen gesetzt. Mit einer Gesamtgrösse von 160 x 600 cm komme ich der Mächtigkeit der Berge wenigstens einen Schritt näher. 

Diese Arbeit ist zwar nur ein Teil meines künstlerischen Schaffens, sie ist allerdings, dem Aufwand entsprechend, als längere und repräsentative Phase meiner Laufbahn zu verstehen.

 

Urwald

Ein Urwald ist ein naturbelassenes Stück gewachsenen Waldes. Er kommt ohne forstwirtschaftliche oder andere das ökologische Gleichgewicht berührende menschliche Eingriffe aus.

Er ist ein Wald, dessen Standorte, Vegetation, Baumartenmischung und Aufbau seit jeher ausschliesslich durch natürliche Standorts- und Umweltfaktoren bedingt wurden, der also nie durch mittel- oder unmittelbare menschliche Einflüsse, etwa durch Holznutzung, Streugewinnung oder Beweidung, verändert worden ist.

Zyklus

Das zyklische System, welches die Erde und das Universum beherrscht, wird in derartigen Urwaldgebieten auf engstem Raum sichtbar und erfahrbar. Als Kosmos im Kosmos funktioniert dieses als geschlossenes System: Sich zersetzende Baumstämme und emporwachsende Jungpflanzen halten sich die Waage. Neu entstandenes Leben, ausgewachsene und sterbende Bäume vereinen sich zu einer Lebensspirale.

Die Natur ist im Werden und Vergehen begriffen.

Schon rein formal lässt sich im Bild eine Spirale, die sich aus einem dunklen Zentrum heraus entwickelt, erkennen.

Die strukturelle Erscheinung suggeriert ein Konglomerat aus scheinbar willkürlichen Teilformen, welche eine komplexe Matrix beschreiben.

Ordnung ist jedoch durchaus vorhanden.

Tauchen wir in diese Lebensspirale ein, werden wir mit Gesetzmässigkeiten konfrontiert. Wachsen erfordert hier Sterben und Zersetzung und umgekehrt. Von der Moos- bis zur Baumschicht hat jede Pflanze ihre spezifische Funktion und Eigenschaft; eine Symbiose also, die nur als zusammenhängendes System funktioniert.

So herrscht eine wiederkehrende Dynamik zwischen Ruhe und Bewegung, Leben und Sterben, Geben und Nehmen.

 

Umsetzung und Materialien

Das Werk Urwald geht weit über den rein visuellen Anspruch hinaus. Die Intension, ein Bild als zweidimensionale Oberfläche zu schaffen, die ein Stück Natur suggeriert, wird hier erweitert.

Die verwendeten Mal-Materialien Kohle und Fichtenharz nehmen in ihrer Zusammensetzung die abgebildete Materie in sich auf. Die vorherrschende natürliche Substanz des dargestellten Motivs wird zugleich zur Zeichnung. Der Wald ermöglicht also mit seiner feinstofflichen Materie dessen Sichtbarkeit im Bild.

Holzkohle ist ein kompliziertes Gemisch organischer Verbindungen, mit einem Hauptbestandteil an Kohlenstoff. Wie trockenes Holz (wenn auch in etwas veränderten Anteilen)  besteht sie aus Kohlestoff (83%), Wasserstoff (3%), Sauerstoff (6%), Stickstoff (1%), Wasser (6%) und Asche (1%). Sie bildet ein lockeres, schwarzes Produkt das unter dem Mikroskop noch den Zellbau des Holzes erkennen lässt. Wegen der vielen mikroskopisch kleinen Nischen, Vertiefungen, Kanälen usw. kommt ihr ein hohes Absorptionsvermögen zu. Holzkohle eignet sich ausserdem zur Raffination des Kupfers, als Heizstoff in Handwerk und Haushalten, zur Gewinnung von Schwarzpulver, zur Herstellung von Schwefelkohlenstoff, Natriumcyanid, Ferrosilizium und Aktivkohle, zum Geruchfreimachen von Wunden, zum Filtrieren und Klären und als Zeichenkohle.

Fichtenharz (Picea abies) wurde früher Weihrauch genannt und bis ins letzte Jahrhundert als Ersatz für den Weihrauch gebraucht. Fichtenharz wirkt kräftigend, stärkend und aufbauend und fördert dadurch die Genesung von Krankheiten. Der Rauch des Fichtenharzes dient als Schutz vor störenden Einflüssen und hilft, innere Ruhe zu finden, was beispielsweise die Meditation erleichtert. Das hellgelbe Harz wurde in der mittelalterlichen Heilkunde oft zur Herstellung von Heilsalben und auch für Heilräucherungen verwendet.

Die beiden Materialien sind als Pigment (Kohle) und Bindemittel (Harz) zur Farbe verarbeitet. Diese haftet schlussendlich als „reine“ Substanz auf dem Gewebe.

 

(Un)farbigkeit

Die Verwendung dieser Materialien gewährleistet als Malerei eine tiefschwarze matte Oberfläche. Diese beinahe düstere „Unfarbigkeit“ ist eng mit klischeehaften Aspekten rund ums Thema Wald verbunden. Die enorme Dichte und die damit einhergehende Dunkelheit von unberührten Urwäldern kennen wir längst aus Grimms Märchen etwa als „dunklen tiefen Tannenwald“ oder als beliebte Lokalitäten von Gruselfilmen.

 

Malprozess

Fichtenharz und Kohle sind als Material schwierig und mühevoll malerisch zu verarbeiten. Trotzdem bietet sich gerade hier die Malerei als ideales Medium an.

Als Antwort auf das ausgesprochen zyklische Verhalten des Urwaldes wird vor dem Malprozess Holz mittels Verbrennung zersetzt, pigmentiert und mit flüssigem Fichtenharz gebunden.

Diese Art von Zersetzung gewährt im Anschluss einen Neubeginn.

Über eine Zeitspanne von ungefähr vier Monaten wird die zersetzte Substanz Schritt für Schritt  als Gemälde wieder aufgebaut.

Gemalt werden im Prinzip nur die Schattenzonen des Waldes. Die beleuchteten Stellen sind im Bild ausgespart und lassen, durch die Eigenschaft des transparenten Gewebes, das Licht durchscheinen. Sie werden also vom Licht selber definiert. Erst durch dieses erhält der Wald vollends seine Lebendigkeit und Präsenz.

Die Malerei in Schwarz entfaltet ein komplexes System, das in sich wieder den natürlichen Kreislauf aufnimmt. Der Zyklus beginnt von neuem... 

Material, Arbeitsprozess, Technik und das daraus entstandene Werk stehen also in engem Zusammenhang.

Die Fichtenholzkonstruktion des Gemäldes als „Bildträger“ kann hier wörtlich genommen werden und ist Programm des Werkes. Durch die Transparenz des Gewebes erscheint diese dezent hinter der Bildfläche. Die Korrespondenz von Konstruktion (oder Aufbau) und Bildinhalt wird so bewusst offengelegt.

Der Zersetzungsprozess vom Holz hin zur Kohle und schlussendlich zum feinen Pigment sowie der sukzessive langwierige Aufbau des Gemäldes sind gleichwertige Bestandteile des Werkes.

Hyperrealismus

Die Malerei im hyperrealistischen Stil bedeutet hier nicht bloss eine Anwendung und Einordnung in eine Kunstgattung, sondern bezieht sich in ihrer spezifischen Materialität ausgesprochen auf die Situation Wald. Das Werk beansprucht eine weitere Ebene: diejenige der Feinstofflichkeit.

Die präzis festgehaltenen Natur-Formationen entpuppen sich bei naher Betrachtung als sichtbar von Hand gearbeitete Spuren; die Materialität erscheint dabei vordergründig. Dieser taktilen Oberfläche obliegt eine individuelle persönliche Codierung. Eine Handschrift, die als Zeugnis einer intensiven und erlebten Auseinandersetzung den Bildraum einnimmt.  

 

 

 

 

 

 

 

 

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